Hallo Woogie,
Es ist grundsätzlich seit spätestens den 1970iger Jahren bekannt, wie sich verschiedene Kondensatortypen verhalten.
Die von Dir genannte Untersuchung ist unseriös, denn sie ignoriert völlig, dass Elkos eine Vorspannung benötigen, die in dem dort gezeigten Test völlig fehlt. Der Autor, ein Ing., hat sich offensichtlich nicht sehr damit befasst und auch sonst fehlt ihm die Einsicht, dass man in einem Vergleich verschiedener Kondensatortypen als Koppelkondensatoren nur solche einbeziehen kann, die gleiche Kapazität haben, also auch gleiche Eckfrequenz in Verbindung mit der Eingangskapazität der daran hängenden Lastimpedanz. Man kann also z.B. nicht einen 1 µF Kondensator X in der Testschaltung mit einem 10 µF Kondensator vom Typ Y sinnvoll vergleichen und aus den erhaltenen Klirrfaktoren einen Schluss auf Bassverzerrung der Kondensatortypen unabhängig von deren Kapazität ziehen wollen, da diese aufgrund ihrer verschiedenen Kapazität in der Testschaltung ganz verschiedene Amplitudenfrequenzgänge ergeben. Er hat zwar die unterschiedlichen Lastimpedanzen und dadurch andere Frequenzgänge genannt, aber dann die daraus unmittelbar folgende Auswirkung auf die Höhe der Verzerrungen ignoriert. Der alte Elektriker in unserem Ort hätte bei sowas über den Brillenrand geschaut, die Stirn gerunzelt und gefragt "Haben Sie gelernt?" - Damit war alles gesagt.
Wenn ein Amplitudenfrequenzgang z.B. bei einer niedrigen Frequenz (Bass) aufgrund einer durch die Kollkondensator-Kapazität bedingten Eckfrequenz bei z.B. stärkerabfällt, mit einem anderen Kondensator mit grösserer Kapazität aber weniger stark, dann ist doch selbstverständlich, dass bei einem Sinus-Testsignal im Bassbereich eine grössere THD-Verzerrung bei dem Kondensator gemessen wird, dessen Eckfrequenz bei höherer Frequenz liegt, also dem mit kleinerer Kapazität. Denn die Grundfrequenzamplitude, auf die in der Fourierzerlegung die geometrische Summe der Oberwellenamplituden bei der Klirrfaktormessung bezogen wird, ist ja beim Kondensator mit kleinerer Kapazität durch den stärkeren Bassabfall vergleichsweise stärker geschwächt als die Oberwellen (Klirrprodukte), der erhaltene Klirrfaktor damit grösser. Das ist eine Folge des unterschiedlichen Amplitudenfrequenzgangs, also der Kapazität, aber nicht eine Eigenschaft des Kondensatortyps. Voraussetzung für eine vergleichende Bewertung von Klirrfaktoren zweier Kondensatoren an einer gegebenen Lastimpedanz ist, dass sie beide hinreichend gleiche Kapazität aufweisen, also auch der Amplitudenfrequenzgang der Messschaltung im relevanten Frequenzbereich für beide gleich ist.
Folienkondensatoren kommen ohne Vorspannung aus, werden aber in Schaltungen eingesetzt, in denen schaltungsbedingt aus anderen Gründen eine Vorspannung (Bias) vorhanden ist. Von der Größe des Bias und der Grösse der AC-Amplitude hängen Verzerrungen ab. Wird alles von dem Autor ignoriert. Bis auf die Aussage, dass Keramikkondensatoren - und dort insbesondere XR7 - mehr Verzerrungen produzieren (was man schon seit Jahrzehnten weiss), ist der Rest des Artikels eigentlich unbrauchbar. Und auch diese Aussage zu Keramikkondensatoren ist nur rein zufällig richtig. Der angegebene Mess-Vergleich dazu ist falsch, schon weil der Kerko 100 nF hat und die Vergleichskondensatoren 4,7 µF und 10 µF (oben erläutert). Man kann auch die Leistung von zwei Kugelstossern nicht vergleichen, wenn man einen mit einem Tennisball stossen lässt, den anderen mit der 5 kg-Kugel. Es kann dann aber zufällig so sein, dass auch der mit der schweren Kugel, hätte er stattdessen den gleichen Tennisball gehabt, auch dem anderen unterlegen wäre. Das meine ich mit "rein zufällig richtig".
In den Datenblättern der namhaften Elektrolytkondensator Hersteller ist z.B. festgeschrieben, dass Elkos nicht als AC-Koppelkondensatoren verwendet werden sollen, wenn der Bias nicht so ausgelegt ist, dass die Minimum Vorspannung auch dann eingehalten wird, wenn sie eine AC-Amplitude sehen. Das wird in vielen Audiogeräten aber einfach ignoriert. Die Folge ist "verfrühter Ausfall".
Elkos verzerren auch messbar, bei großem Bias stärker. Der Autor konnte das nur nicht mehr messen, wenn seine Messkette an ihre Grenze stösst und weil er ja gar keinen Bias verwendet hat - unter seiner Messbedingung, ohne Bias, hätte ein Al-Elko ein verkürztes Leben. Er braucht die Formierung und dafür braucht es Bias, wenigstens ca. 1,5 - 2V DC. Unter 1V ist schon zu wenig für einen polaren Elko, damit kann sich die Al-Oxidschicht schon nicht mehr gut genug regenerieren.
Andererseits sind Folienkondensatoren für AC als Koppelkondensatoren und in Filtern bei geringer oder keiner Vorpannung prädestiniert, sie verzerren stärker, wenn sie grösserem Bias ausgesetzt sind.
Dass Polyester/MKT-Filmkondensatoren keine Verzerrungen hinzufügen würden, ist also nicht richtig. In dem zitierten Artikel mangelt es an dem dafür notwendigen Testaufbau (Bias fehlt) der Variation der Testbedingungen (Intermodulationsverzerrungen sind auch zu messen), die Messung dort beschränkt sich ja nur auf THD. Polyester und MKT sind i.a. besser als Elkos, wenn die AC-Amplitude klein ist und der Bias nicht sehr hoch. Die Verzerrungen hängen davon ab, wieviel Bias ihnen auferlegt wird und auch wie hoch die beaufschlagte AC-Amplitude ist.
Ich darf hier Walt und Jung aus ihrer Publikation in AUDIO, März 1980, zitieren, beides anerkannte Pioniere der Audiotechnik:
Die allgemeine Aussage, bipolare Elkos würden mehr verzerren als ...als was, als polare Elkos?...oder als ein MKT-Folienkondensator? Im Vergleich mit polaren Elkos schneiden bipolare bei Verzerrungen sogar besser ab!. Der Autor hat sich da zwei "irgendwelche" polare Elkos (aus der Grabbelkiste?) antiseriell zusammengeschaltet, ohne Angabe von deren tatsächlicher (gemessener) Kapazität und des genauem Typs. Das ist nicht unbedingt gleich zu einem guten industriellen bipolaren Elko. Sein Ergebnis zeigt nur, dass sein spezifischer "Selbstbau" bei 100 Hz und darunter schlechter abschneidet als der Folienkondensator, aber einen Vergleich mit einem polaren Elko gleicher Kapazität hat er nicht gezeigt.
Folienkondensatoren haben insgesamt bessere Eigenschaften als Elkos, bessere als polare und auch als bipolare, einschliesslich bei Verzerrungen. Das ist richtig und in der Messung ja auch so herausgekommen.
Bei geringem Bias sind bipolare meist besser als polare Elkos, aber schlechter als Folienkondensatoren, auch schlechter als MKT / Polyester-Folie. Dazu schlage man bei Bateman nach (Electronics World, 2002, C. Bateman). Dort sehr umfangreicher Vergleich verschiedener Kondensator-Typen unter verschiedensten Bedingungen.
Hier die guten Ergebnisse von Bateman an bipolaren Elkos. Die THD-Messungen sind bei Messfrequenz von 100 Hz.
Auch mit nur geringem Bias sind bei bateman die Klirrfaktoren für bipolare Elkos besser als für polare Elkos.
Bateman bestätigt übrigens aufgrund seiner Messungen die Aussage, die ich oben schon von Walt/Jung (1980) genannt hatte:
Empfehlung für MKP / Polypropylen
Das ist alles nicht auf meinem Mist gewachsen sondern von Spezialisten ermittelt und in (seriösen) Publikationen veröffentlicht.
Ich kann aber aus eigener Erfahrung bestätigen, dass sich der Ersatz von kleinen Elkos (< 10 µF) und Tantalkondensatoren, die als NF-Koppelkondensatoren eingesetzt werden (nicht HF-Bereich !) und keine hohe AC-Amplitude bewältigen müssen und nur mässig oder gering vorgespannt betrieben werden (< 30 V DC), durch Polyester / MKT Folienkondensatoren vielfach bewährt hat. Wenn die Vorpannung < 1 V ist, sollte bei grösserer Kapazität ein bipolarer Elko statt eines polaren Elkos verwendet werden.
Ich warne aber, dass ein genereller Austausch von Al-Elkos als Koppelkondensatoren durch MKT / Polyester-Folienkondensatoren zu einer unerwünschten Klangveränderung in Richtung "hart und harsch" führen kann. Man sollte sich dessen bewusst sein und vorbereitet, dass man ggf. wieder auf die originalen Elkotypen zurückbaut. Von Subminiatur-Elkos, die ggf. nur so groß sind, wie ein oder zwei-drei Reiskörner rate ich dabei dringend ab.
In NF-Filternetzwerken sind Polystyrol und Polypropylen / MKP Typen den Polyester / MKT Typen überlegen. Elkos sollten dort gar nicht verwendet werden, da sie nicht kapazitätsstabil und -genau sind. Beim Ersatz von Polyester (MKT) durch Polypropylen (MKP) habe ich NUR Klangverbesserung erfahren. Allerdings ist dieser Ersatz aufgrund der bis 5-fach grösseren Baugrösse von Polypropylen oft nicht möglich. Auch Polystyrol-Kondensatoren sind nur für kleine Kapazitäten verfügbar (und sehr löttemperaturempfindlich !).
Keramikkondensatoren sind zur Schwingunsunterdrückung (Miller-C) und an der Spannungsversorgung und zum Abblocken von HF (z.B. Eingangsschutz) zu verwenden. Dafür sind es die besten. Auch XR7 kommt dafür gut infrage. Aber für Schwingkreise ist XR7 nicht gut genug. Da nimmt man bessere Keramiktypen (z.B. COG, NP0). In Schwingkreisen im Frontend/Mischteil ist auf die korrekte Temperaturkoeffizientklasse zusätzlich zu achten, sonst "läuft mit der Zeit evtl. der Sender weg".
Gruß
Reinhard