MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Moderator: timundstruppi

Rufula
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von Rufula »

Hallo Reinhard,
hast du noch Spaß an dieser Reparatur? Du musst doch völlig frustriert sein.
In meinem Fall kann ich ja alles auf meine Unkenntnis schieben, diese Möglichkeit hast du ja nicht.
Welches Geheimnis steckt in diesem Gerät? Ich habe das Gerät nie in Aktion erlebt.
Es war mir auch nicht bekannt, das außer der Endstufe das Radioteil auch nicht funktioniert.
Das wäre bei mir eine noch größere Spielerei geworden als sie es ohnehin schon war.
Viele Grüße aus Leipzig
Frank
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oldiefan
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Hallo Frank,

naja, Spass geht anders....Es geht aber darum, dass ich es hinbekommen will, so wie der Terrier der buchstäblich am hoch gehaltenen Knochen hängt, grrrr! :mrgreen:


Plan für die Einschaltstrombegrenzung

Wie schon seit langem bekannt, bzw. vermutet, hat sich auch bei mir gezeigt, dass die Endstufe(n) im Moment des Einschaltens, bzw. innerhalb der ersten 1-2 Sekunden danach sterben, sehr wahrscheinlich deshalb, weil die (heutigen) Endstufen-Leistungstransistoren (und in Verbindung mit heute höherer Netzspannung) die Ladestromspitze für den Koppelkondensator nicht schadlos bewältigen.
Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass der Anfangsstrom beim und unmittelbar nach dem Einschalten begrenzt werden sollte.

(Anm.: Diese Endstufenkonstruktion mit nur einer Versorgungsspannung, die die Ausgangskoppelelkos erfordert, war zur Zeit des "auf den Markt Bringens [1980] des MR 200" schon längst überholt. Grundig hatte in anderen Receivern ja bewährte Endstufen mit symmetrischer +/- Spannungsversorgung, die dieses und andere Probleme gar nicht gehabt hätte. Lediglich ein Trafo mit Mittenanzapfung an der Sekundärwicklung wäre dafür nötig gewesen (mit ca. +/- 16 V Wechselspannung). Beim MR 100 / MR 200 scheint der Entwickler aber das ganz alte Rad völlig neu zu erfinden versucht zu haben, statt auf Bewährtes zurückzugreifen; das ist offensichtlich verunglückt.)


Für Verstärker gibt es Schaltungen und Vorschläge, die im Sinne eines "Softstarts", Einschaltstrombegrenzung den Trafo-Einschaltstrom während der ersten 50 Hz Halbwellen reduzieren, oder deren Phase so verschieben, dass die Hausnetzsicherung bei großen (Ringkern-)Trafos im Verstärkernetzteil nicht auslöst. Der Einbau solcher Softstartlösungen erfordert einen Eingriff / Veränderung im netzseitigen (220V) Bereich, also am Primärkreis des Trafos.
Einerseits führe ich Arbeiten/Modifikationen im/am Netzspannungsbereich NICHT durch, andererseits ist das hier auch gar nicht nötig.

Denn die Strombegrenzung soll hier anders wirken. Es geht hier nicht darum, das Auslösen der Haus-Netzsicherung zu verhindern, das Problem gibt es hier ja nicht. Sondern es geht darum, die Ladestromspitze für das Laden der grossen Ausgangskoppelelkos zu begrenzen oder zu reduzieren. Das kann dadurch realisiert werden, dass die Begrenzung hinter dem Gleichrichterausgang eingeschleift wird, also sekundärseitig (44-48 V DC). Dadurch soll ein sanfteres Hochfahren des Stroms nachgebildet werden, ähnlich wie es beim Hochfahren am Stelltrafo geschieht. Am Stelltrafo nimmt die Endstufe ja keinen Schaden.

Ich denke an eine einfache Zusatzschaltung, die zunächst über einen Vorwiderstand und/oder einen NTC-Widerstand hinter dem Gleichrichter den Anfangsstrom beim Einschalten auf einen unschädlichen Wert begrenzt und nach ca. 2-3 Sekunden automatisch über ein Relais überbrückt wird, so dass, die unbegrenzte Netzteilleistung erst dann verfügbar ist.

Die Strom-Begrenzung mit NTC hat den Nachteil, dass sich der NTC-Widerstand mit dem Einschaltstrom erwärmt und bei Aus- und Wiedereinschalten nach kurzer Zeit noch nicht so weit abgekühlt hat, dass die begrenzende Wirkung schon wieder voll vorhanden ist.
Die Strombegrenzung mit einem Hochlastwiderstand hat den Nachteil, dass dieser für eine relativ hohe Leistung ausgelegt sein müsste und u.U. mehr Verlustleistung abgeführt werden müsste.

Ich favorisiere deshalb für diesen Zweck eine Kombinationslösung, ein 16 Ohm (für bis zu max. 5 A) NTC-Widerstand in in Reihe mit einem 15 Ohm, 10 W Hochlastwiderstand. Diese Kombination soll nach ca. 3 sekunden von einem 24 V DC Relais (mit 2 Kontakten, je bis 5 A) überbrückt werden. Die erforderliche Schaltverzögerung des Relais wird über Kondensatoraufladung realisiert. Ein 1 k Ohm Vorwiderstand bildet mit dem 1 kOhm Relais-Spulenwiderstand einen 1:1 Spannungsteiler, der die anliegende 44-48 V vom Gleichrichter auf die passende Relaisspannung von 22-24 V herunterteilt und mit der Ladekapazität die erforderliche Schaltverzögerung bereitstellt. Diese Schaltverzögerung ist auf ca. halben Spulen-Nennstrom ausgelegt, bei dem das Relais schaltet. Eine Freilaufdiode in entgegengesetzter Polarität wirkt der induzierten Spulen-Gegenspannung beim Ausschalten entgegen.
Strombegrenzer Schaltung.jpg
R_Last im Schema ist die Endstufenversorgung beider Endstufen. Die vorhandene 3,15 A/T Sicherung bleibt erhalten.
Der Gleichrichterausgang versorgt die MR 200 Endstufen über eine (rote) "+" Leitung und eine (blaue) "-" Leitung.
Die rote "+" Leitung wird aufgetrennt und der Gleichrichterausgang (= + von V1) mit der Begrenzerschaltung verbunden.
Der Ausgang der Begrenzerschaltung (= hinter dem NTC) wird mit der Verstärkerschaltung verbunden (statt vorher der Gleichrichterausgang).
Die blaue Leitung (Masse) erhält eine Abzweigung nach "-" von V1.

Im Einschaltmoment liegen R1 und NTC in Reihe im Stromweg (zusammen 31 Ohm) und begrenzen den Einschaltstrom bei max. 48 V Versorgungsspannung auf max. 1,7 A. Der NTC-Widerstand beginnt sich zu erwärmen und seinen Widerstandswert zu verringern. Nach ca. 3 Sekunden überbrückt das Relais. Zu diesem Zeitpunkt sind alle Elkos bereits so weit aufgeladen, dass keine hohe Lade-Strompitze (jenseits von 3 A) mehr auftritt. Die Endstufen sollten so gefahrlos über den Einschaltmoment kommen.

Angenommen, der MR 200 würde kurz im Ausnahmefall nach dem Einschalten gleich wieder aus- und eingeschaltet werden (was man aber nicht machen sollte), ohne dass der NTC genug Zeit hat, sich abzukühlen, also noch niederohmig ist, wirkt immer noch der 15 Ohm, 10 W Keramikwiderstand. Normalerweise kühlt sich der NTC ja wieder ab, nachdem das Relais angezogen hat. Also nach etwas längerer Betriebsdauer aus- und dann wieder einzuschalten, ist ok. Aber unmittelbar nach dem Einschalten wieder aus- und einschalten sollte man nicht.

Die wenigen Bauteile sollten sich auf einer kleinen Platine unterbringen lassen, die z.B. am/neben/über dem Bereich der Sicherung Platz finden könnte.

...Und was ich auch noch prüfen wollte:
Ob nicht der / die Endstufen-Ausgangskoppelelkos (3300 µF) evtl. einen zu großen Leckstrom aufweisen. Das wäre m.E. eine Möglichkeit, wenn sie mal versehentlich kurz verpolte Spannung gesehen hätten (also mal verkehrt rum eingebaut gewesen oder der Gleichrichter verkehrt eingebaut gewesen?). Allerding haben sie sicher Überspannung gesehen, denn es liegen bei durchlegierten Endtransistoren an ihnen ja 44-48 V an, sie sind aber nur für max. 40 V zugelassen.



Gruß
Reinhard
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timundstruppi
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von timundstruppi »

Ja, so das Festbeißen kenne ich, aber auch das erst Jahre später weitermachen. ;)

Warum hat man überhaupt damals eine unipolare Spannungsversorgung gewählt? Trafo wird nicht größer, nur minimal teuer. Eine GL-Brücke braucht man eh.
2 Cs, 2te Sicherung im NT, aber dafür keinen Brummer mehr im Ausgang. Gewohnheit der Entwickler? Ist ja kein Differenzverstärker.

Man hätte aber besser Eigenschaften.
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oldiefan
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Wie wirkt sich die geplante Einschaltstrombegrenzung auf die Höhe des Einschaltstrompulses und Leistungspulses für den Endtransistor T622 (T736) aus?


Die Dämpfung durch nachgerüstete Emitterwiderstände (wie ich seinerzeit vorgeschlagen hatte) ist hier bereits vorhanden, genügt aber offensichtlich nicht.
Gemäss der Simulation stirbt durch den Impuls zunächst T622 (T736) und kann in Folge auch T623 (T737) mitreissen, sowie weitere Bauteile der Endstufe. Das zeigt nachstehende Abbildung, zunächst ohne Einschaltstrombegrenzung (und ohne Signal, bzw. Lautstärke auf Links-/Minimumanschlag):
ohne Einschaltstrombegrenzung.jpg
Beim Einschalten beträgt der Kollektorstrom von T622 ca. 1,7 A (untere Kurven) mit einer kurzzeitigen Impulsleistungsspitze von 18 W (obere Kurven). Der Verlauf der Endstufenversorgungsspannung zeigt die mittlere Kurve. Es wird jeweils 15 s lang eingeschaltet, dann ausgeschaltet und nach 25 s wieder eingeschaltet, usw. An den Lautsprecherausgängen ist ein Kopfhörer mit 28 Ohm Impedanz angeschlossen.

Die Pulse beim Ausschalten sind vergleichsweise gering. Schadensauslöser ist der Einschaltpuls (Kollektor- bzw. Emitterstrom) von T622 (T736).



Und nun bei nachgerüsteter Einschaltstrom-Begrenzung, so wie oben beschrieben, mit Relais-Überbrückung nach 2 Sekunden.:
(Achtung, andere Skalierung der Y-Achsen)
mit Einschaltstrombegrenzung.jpg
Die geplante Einschaltstrombegrenzung reduziert bis zum Zeitpunkt der Relais-Überbrückung auch die an den Endstufen anliegende Versorgungsspannung auf ca. die Hälfte (20-25 V). Während dieser Begrenzungsperiode sieht man das durch die Begrenzung ausgelöste und dabei hier unvermeidliche "Pumpen" der Kollektor- (bzw- Emitter-) Ströme der Endtransistoren (das übrigens auch beim Hochfahren am Stelltrafo auftritt).

Die beim Einschalten mit Strombegrenzung auftretenden Stromimpulsspitzen der Endtransistorströme bleiben unter 0,5 A und die Einschalt-Leistungspulsspitzen unter 9 W - also nur halb so hohe Pulsspitzen wie im Fall ohne Einschaltstrombegrenzung.

Die Pulsspitzen beim Ausschalten bleiben etwa gleich wie im Fall ohne Einschaltstrombegrenzung.

Diese Massnahme sollte also wirksam sein. Wenn nicht, dann allerdings hätte ich all mein Pulver verschossen und wäre mit meinem Latein am Ende (vorausgesetzt die Ausgangskoppelelkos C641 und C741 sind nicht von zu großem Leckstrom geplagt - ich werde einen ausbauen und daraufhin prüfen). Ich bin allerdings zuversichtlich, dass die Strombegrenzung das Gewünschte bringt.

Das Simulationsmodell, mit dem die Ergebnisse erhalten wurden, ist inzwischen schon recht umfangreich geworden. Es bezieht auch die Vorstufe ab Klangstellerstufen mit ein (in einer weiteren, hier nicht gezeigten Version, auch die Phonostufe):
Simulationsmodell mit Einschaltstrombegrenzung_Relaisueberbrueckung nach 2 s.jpg


Gruß
Reinhard
Zuletzt geändert von oldiefan am Mi 5. Jul 2023, 01:57, insgesamt 1-mal geändert.
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timundstruppi
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von timundstruppi »

wow, was du da alles machst. Allein auch die Eingaben für die Simulation.

77W ist schon recht hoch, können die Transistoren das überhaupt ab? Also wieder die Die-Ankopplung ans Gehäuse?

Könnte man noch ausprobieren...

Ptot ist 80W.

Und SOA schon verlassen? Zumindest bei den Nachbauten?
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oldiefan
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Ich muss korrigieren:

Es sind nicht 77 W! Das wäre tatsächlich sehr viel.
Ich hatte bei der Berechnung der Leistung Fehler bei der Knoten-Nummerierung - daher das falsche Ergebnis. Man muss aufpassen wie ein Schiesshund.
Ohne Strombegrenzung sind es "nur" 18 W. Ich habe das auch im letzten Beitrag gerade berichtigt.

Mit Strombegrenzung bleibt es bei 9 W, wie oben geschrieben - halb so viel wie ohne die Begrenzung.

SOA:
Eigentlich müsste das auch ohne Strombegrenzung nach Einbau der Emitterwiderstände innerhalb der SOA liegen. Hatte ich ja früher mal abgeschätzt. Hält nur trotzdem nicht...warum nicht?


Gruß
Reinhard
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von timundstruppi »

oldiefan hat geschrieben: Mi 5. Jul 2023, 02:03 ....

SOA:
Eigentlich müsste das auch ohne Strombegrenzung nach Einbau der Emitterwiderstände innerhalb der SOA liegen. Hatte ich ja früher mal abgeschätzt. Hält nur trotzdem nicht...warum nicht?


Gruß
Reinhard
Es ist die Frage, ob die Die-Größe immer noch der bemusterten im Datenblatt entspricht. Auch der Leadframe mit Kühlfahne kann dünner sein oder in der Produktion weniger Chipkleber verwendet werden. Die können an vielen Parametern sparen, was SOA aber kleiner macht, keiner sieht und wohl nur in 1% der Anwendungen auffällt durch Ausfall. Ist aber alles Spekulation.
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von Rufula »

Hi, soll das heißen, in tausend Fällen geht alles gut und in einem speziellen bekommen sogar Experten graue Haare, falls sie überhaupt noch welche haben? :)
Viele Grüße aus Leipzig
Frank
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Hallo Frank,

so ist es nicht.

Es geht dann nie gut! Nicht in tausend Fällen, auch nicht in einem. Die "tausend Fälle" hast Du Dir ausgedacht. Es würde mir schon genügen, Du könntest mir einen zeigen.
Dein Fall ist kein "spezieller Fall". Das unter dem noch nachzuprüfenden Vorbehalt, dass die Ausgangskoppelelkos i.O. sind und trotzdem der Schaden nach Transistorersatz weiter besteht, gilt:

Die Originalbestückung hält über die geplante Lebensdauer (+10 Jahre).
Tauscht man sie heute durch Neuware aus, geht es nicht gut. Das Gerät von Pollux - gleiche Erfahrung bei ihm, kein Einzelfall.

Geh davon aus, dass ein Grundig MR200, wenn er heutzutage mit Endstufenschaden altersbedingt defekt geworden ist ist, normalerweise auf dem Müll landet, nicht in der Reparatur.

Ich lasse mich umstimmen, wenn mir jemand zeigt, dass die MR200 (MR100) Endstufen mit neuen Transistoren (meint: aus heutiger Produktion) bestückt wurden, einwandfrei funktioniert und der MR 200 (MR100) dem Einschalttod danach nicht erliegt. So einen Fall (Endstufenreparatur mit Ersatz der Endtransistoren im MR 200) habe ich gesucht und nicht gefunden, nur erfolglos abgebrochene Reparaturversuche.

Wenn es ihn gibt, bitte hier zeigen!


Wie gesagt, unter Vorbehalt, dass die großen Ausgangs-Koppel-Elkos i.O. sind.
Den 3300 µF der zuletzt "durchgebrannten" linken Endstufe habe ich eben ausgebaut und geprüft. Sowohl Isolationswiderstand (Leckstrom) als auch Kapazität, ESR und Verlustfaktor sind in Ordnung. Daran ist nichts auszusetzen. Der von Rufula dort eingebaute hat sogar 50 V Spannungsfestigkeit, ist also selbst einem Endstufenschaden, bei dem bis 48 V anliegen können, gewachsen.


Gruß
Reinhard
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oldiefan
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Mit dem Latein doch noch nicht am Ende?

Zur Beobachtung, dass während des Einschaltmoments die Leistungstransistoren ausfallen, obwohl nach SOA dies nicht geschehen dürfte, habe ich etwas nachgeforscht.

Die Antwort steht in der Application Note AN875/D, herausgegeben von ON Semiconductors. Kurz gesagt...: SOA (Kollektorstrom vs. C-E Spannung) ist für den Ein- und den Ausschaltmoment nicht allein aussagefähig! DA haben wir's!

Englischer Originaltext:
AN875D.jpg

Ich übersetze ins Deutsche, damit Rufula mitlesen kann:

Es ist wichtig, subtile Stressbelastung (im Leistungstransistor) zu verstehen, besonders ganz zu Beginn, wenn der Transistor einschaltet. Im Einschaltmoment nämlich, kommen weit verbreitete Missverständnisse über den SOA-Bereich von Leistungstransistoren besonders zum tragen. Die meisten Konstrukteure / Techniker würden wahrscheinlich, wenn sie die häufigste Ursache für den Transistorausfall beim Einschalten benennen sollten, angeben, dass wohl das Strom-Spannungsprodukt zu groß für die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Transistors wäre.
Aber ganz im Gegenteil, die Kurzpuls-Leistungsfähigkeit des Transistors ist meist viel grösser als allgemein angenommen wird und gewöhnlich auch deutlich grösser als die Spezifikation im Datenblatt. Meist ist es nicht die Kombination aus (Kollektor-)Spannung und Strom, die den Transistor überfordert, sondern es ist die Art der Treiber-Ansteuerung der Basis, die den Transistor übermässig belastet.
Unter dem Gesichtspunkt eines sicheren Betriebs ist entscheidend, dass dem Transistor eine grosszügig bemessene Basis-Treiber-Versorgung zur Verfügung steht, und zwar unverzüglich, SEHR SCHNELL im/nach dem Einschalten. In den meisten Fällen ist nämlich das Fehlen dieser schnellen Basisansteuerung beim Einschalten der Grund, warum der Transistor stirbt und NICHT die Grösse von (Kollektor-)Strom und Spannung.
Aus Konstruktionsgründen ist es oft wünschenswert, dass die Basis von einem Treiber mit möglichst geringer Spannung versorgt wird. Niedrige Spannung stellt den Erhalt der Treiberleistung sicher. Jedoch begrenzt niedrige Treiberspannung auch die (Anstiegs-)Geschwindigkeit, mit der die Basis unmittelbar nach dem Einschalten getrieben werden kann, nämlich wegen der induktiven Charakteristik des Basis-Emitterübergangs beim Einschalten des Transistors. Als allgemeine Regel kann auch die schnellste Treiberschaltung, sofern sie nur von einer (niedrigen) 5 V Spannung versorgt wird, nur einen Basistreiberpuls erzeugen, der eine langsamere Anstiegsgeschwindigkeit hat als der Ausgangs-Kollektorstrom des Leistungstransistors. DAS macht Ärger! Wenn nämlich der Kollektorstrom schneller ansteigt als der Basisstrom, gibt es nicht genug Vorspannung (bias), um den Kollektorstrom gleichmässig genug über die Emitterfinger (im Transistoraufbau) zu verteilen. Dadurch konzentriert sich der Stromfluß auf die Fingerkanten und die Wärmeabgabe wird dadurch auf einen relativ kleine Fäche begrenzt. Im Ergebnis ist also dadurch die Leistung, die der Transistors handhaben kann, stark vermindert.



Ich hatte nach diesem für mich lehrreichen Kapitel vermutet, dass ein zu langsames Einsetzen des Basisstroms gegenüber schnellem Anstieg des Kollektorstroms und dadurch Überlastung und Sterben des Transistors - wie in der AN875/D von ON Semi beschrieben - in unserem Fall hier beim MR 200 auch zutreffen könnte. Denn die "normale" SOA gemäss Kollektorstrom und Kollektor-Emitterspannung und war ja eigentlich inzwischen eingehalten, selbst im Einschaltmoment.

Simulation kann es wieder beantworten:
Tatsächlich kommt der Basisstrom von T622 erst "in die Gänge", wenn der Kollektorstrom bereits seinen Maximalwert erreicht hat. Der Basisstromanstieg ist aber nicht nur zu spät, er ist auch viel zu langsam.

Das sieht nämlich so aus (oben: Versorgungsspannung; mittig: T622 Basisstrom; unten: T622 Kollektorstrom) beim Einschalten:
T622 Basisstrom und Kollektorstrom beim Einschalten.jpg

Ich sehe eine Möglichkeit, das zu beheben, also den Basisstrom früher und steiler beim Einschalten ansteigen zu lassen, nämlich einfach C638 ersatzlos entfernen (keine Brücke stattdessen einsetzen!) oder in Reihe zu C638 470 Ohm vorschalten. Der Einschalt-Basistrompuls wird dadurch aber erheblich kleiner.

Die ersatzlose Entfernung von C638 führt zu etwas Clipping bei hoher Ausgangsleistung. Das ist nicht vorhanden, wenn zu C638 ein 470 Ohm Widerstand in Reihe geschaltet wird. Widerstand von 470 Ohm dem Kondensator vorschalten ist also die bessere Lösung.

Hier C638 ersatzlos entfernt (bei Vorschalten von 470 Ohm sieht es genauso aus):
T622 Basisstrom und Kollektorstrom beim Einschalten _ C638 entfernt.jpg

Warum hat Grundig C638 vorgesehen?
Wird das Stabilitätsproblem beim Einschalten durch Vorschalten von 470 Ohm vor C638 (C738) gelöst und Einschaltstrombegrenzung wird damit unnötig?


Gruß
Reinhard
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