MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Moderator: timundstruppi

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oldiefan
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Hallo Rufula,

ist nicht gegen Dich gemünzt!

Ich weiß - und alle die diesen Thread durchgehend verfolgen, wissen das ja auch - Dein Radikaltausch aller Bauteile auf dem NF-Board geschah in bester Absicht. Inzwischen ist deutlich geworden, was dabei alles schiefgehen kann, selbst wenn man Bauteile gegen vermeintlich gleiche oder als equivalent angesehene tauscht, die sich erst bei ganz genauem Hinsehen oder - wie hier - erst nachträglich doch nicht als gleich oder equivalent herausstellen:

Tantal Elko - Al-Elko
Klasse I Kerko TK-Gruppe NP0 - Klasse II Kerko ohne TK-Spezifikation
Polypropylen-Film Kondensator 2,5 % Toleranz - Polyester Film Kondensator 10 % Toleranz
Elna Elko - no name China Elko
Standard Elko - Subminiatur-Elko
Halbleiter-Variationen,
usw.

Deshalb, wenn man etwas ersetzt, immer nach 2-3 Bauteilen die Funktion prüfen. So sieht man rechtzeitig, wo es durch den Ersatz ein Problem gibt und kann notfalls wieder sofort zurückbauen oder leicht den Fehler lokalisieren und beseitigen. Hat man aber hundert Bauteile in einem Zug ersetzt (bei Dir waren es sogar noch mehr) und erkennt danach Defekte "hier und dort", ist man dadurch sehr im Nachteil, denn man muss plötzlich sehr viel mehr Fehlermöglichkeiten in Betracht ziuehen.

Ich kann auch nicht mehr schnell mal zwischenprüfen, weil auch das Signalstärkemeter eingeklebt ist und ich die NF-Platte "nicht mal schnell" wieder herausnehmen kann. Ich muss jedesmal dafür die Leitungen von der HF-Platte zum Meter ab- und wieder anlöten. Dazu kommt die abgebrochene Hülse vom Tuning-Seilrad. Zu oft will ich das nicht machen. das Meter könnte unter dem vielfachen Löten leiden. Und an der HF-Platine die Kabel ablöten ist auch keine gute Lösung. Dort sind die Lötlöcher so eng, dass man sehrlange braucht, um die Kabel dort hinterher wieder einwandfrei einzulöten. Vermutlich war von Grundig vorgesehen, dass man die HF-Platte samt Meter zusammen herausnehmen kann - ganz ohne Löten.

Den eigentlichen Endstufenfehler konnte ich auf Anhieb beseitigen. Das war sozusagen die "leichteste" Aufgabe. Sicher hat dabei eine Rolle gespielt, was vorher im Forum dazu von uns über Wochen alles schon zur Sprache gekommen war. Damit hätte es ja eigentlich "erledigt" sein können.

Seitdem die Endstufe wieder funktioniert und anschliessend die übrigen Funktionen des Receivers geprüft werden konnten, sind weitere unerwartete und "weniger gewöhnliche" Defekte in ganz anderen Bereichen als den Endstufen offensichtlich geworden, also will ich sie auch beheben. Das ist nur leider nicht ganz unaufwendig und verlängert die Reparatur-Geschichte erheblich. Der Motorboating Fehler im Phonoteil geht auf das Konto "Komplettausch aller Bauteile. Die Fehler im Radioteil können evtl. durch Kurzschluss oder Überspannung im Zuge Deiner vorangegangenen Reparaturversuche ausgelöst worden sein oder durch den lose herumfliegenden Spannring vom Tuningrad. Evtl. bestand der AFC-Defekt auch schon länger, ohne dass es aufgefallen ist.

Gruß
Reinhard
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oldiefan
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Vor längerer Zeit war ich doch bei der Simulation der Endstufe auf die Auffälligkeit gestossen, dass es ggf. einen "anomalen" Arbeitspunkt beim Leistungs-Darlington T622 geben kann, bei dem sich die Basisstrom-Richtung plötzlich umkehrt und der Kollektorstrom dabei auf 5A "durchgeht".

Das stand hier: --> Mein Beitrag vom Di 18. Apr 2023, 19:09

Das hätte eine Erklärung sein können, warum vermeintlich (mit AVR-Transistortester) ordentlich messender Transistor dennoch den Endstufentod auslösen kann. Ich hatte aber anschliessend keine weiter unterstützenden Belege dafür gefunden und diese Hypothese als "kurioses Artefakt der Simulation" wieder verworfen. Es hätte sich dabei vermutlich gelohnt, die Kennlinien noch etwas weiter zu untersuchen.

Warum hole ich das nochmal hoch?
Weil es das tatsächlich gibt! Ich konnte es kaum glauben, ist aber in zwei YT-Videos im Rahmen einer Grundig-Messgerätereparatur an einem Transistor vorgeführt:
Basisstrom kehrt sich bei einem bestimmten Arbeitspunkt um und Kollektorstrom schiesst hoch!

https://youtu.be/BHRCDHBiJ1w

und explizit noch auf Breadboard an einer Testschaltung demonstriert:

https://youtu.be/W2gapzpwz08

Der erfahrene Techniker, der das in den Videos vorführt, war selbst sehr überrascht.
Also....mit Transistortester" messen und so den Transistor damit für i.O. befinden, kann böse trügen!



Gruß
Reinhard
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oldiefan
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Wegen des Phono-Motorboating im linken Kanal bin ich derzeit bei der (pingeligen) Überprüfung der Phonostufe.

Alle Widerstände stimmen.
Es gibt keine fehlerhaften Lotbrücken oder Unterbrüche.
Die Transistoren waren von mir bereits bei der letzten Revision erneuert (Motorboating blieb).
Eingangs-Entstör-Kerkos 100 pF durch Kl. 1, NP0 ersetzt.
Die Pufferelkos (220 µF) und 470R Vorwiderstände der Spannungsversorgung stimmen, wurden aber vorsorglich erneuert.
Eingangskoppelelkos durch 4,7 µF Folie (WIMA MKS-2) ersetzt (Grundig: Tantal)
Ausgangskoppelelkos durch 0,1 µF Folie (WIMA MKS-2) ersetzt (wie vorher bereits beschrieben, Lt Grundig Plan 0,1 µF Folie).



Auffällig oder nennenswert lediglich diese Punkte:

1. Statt der 220 µF/6,3 V Fusspunktelkos der Gegenkopplung der Phonostufe waren 220 µF, 63 V Typen eingebaut. Höhere, auch viel höhere, Spannungsfestigkeit ist normalerweise kein Problem, oft sogar vorteilhaft. Hier aber nicht, da dieser Elko mit sehr geringer Vorspannung von nur 0,7 V betrieben wird. Hoch spannungsfeste Elkos tun sich ohne ausreichende Vorspannung besonders schwer mit der Reformierung - Gefahr von erhöhtem Leckstrom!
Die 63 V Elkos messen unauffällig. Ich habe sie aus dem genannten Grund vorsorglich durch 220 µF, 16 V ersetzt.

2. Die RIAA-Korrekturkondensatoren der Gegenkopplung hatten falsche Werte, nämlich MKP 6,8 nF statt MKP 5,6 nF (+/- 2,5%) und Polyester 1,5 nF statt MKP 1,6 nF (+/- 2,5%).
Damit wäre die Phono-Entzerrung nicht mehr "HiFi"; es gibt dadurch einen zusätzlichen (bereits hörbaren) Bassabfall von ca. 1,5 dB bei 100-200 Hz:
Phono Bestueckung rot = Grundig 5,6nF + 1,6 nF___vs. blau = Rufula 6,8 nF + 1,5 nF.jpg
rot = Frequenzgang Phono (RIAA) Originalbestückung Grundig
blau = Bestückung von Rufula

Die "richtigen" Kondensatoren sind in der geforderten Art, Grösse und Toleranz nicht leicht beschaffbar.
Vielleicht hat Rufula noch die originalen, die ich wieder einbauen kann? Wäre die beste und günstigste Lösung.

Gruß
Reinhard
Rufula
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von Rufula »

Hallo Reinhard,
bis auf die zerstörten Transistoren und einige Widerstände sind alle originalen Bauteile noch vorhanden.
Die 6,3V gegen 63V ist ein Versehen, die habe ich auch mit deutlich geringerer Spannungsfestigkeit.
Die Kapazitätsunterschiede 6,8nF statt 5,6nF und 1,5nF statt 1,6nF habe ich leider auf die leichte Schulter genommen, da ich nichts anderes hatte.
Soll ich dir alle diese Folienkondensatoren schicken, oder nur die oben erwähnten?
Viele Grüße aus Leipzig
Frank
dynamike
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von dynamike »

Schon genial Reinhard, wie akribisch Du da auf Fehlersuche gehst und wie genial Du alles erklärst.
Immer wieder ein Genuß, Deine Beiträge zu lesen.

LG
Mike
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oldiefan
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Hallo Rufula,

hatte Dir auch eine Email geschickt.
Ich brauche nur die genannten vier Wickelkondensatoren für die Phonostufen (2 x 1,6 nF und 2 x 5,6 nF).

Besten Gruß
Reinhard
Rufula
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von Rufula »

Hallo Reinhard,
die Mail habe ich gelesen und die Kondensatoren sind unterwegs.
Danke für alles.
Viele Grüße aus Leipzig
Frank
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oldiefan
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Prima!

Gruß
Reinhard
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

In der Zwischenzeit kann ich noch ein Kuriosum berichten.

Wie ich schon vorher schrieb, entspricht das Leiterbahn-Layout der NF-Platine in Rufulas MR 200 in einigen Bereichen nicht genau der Abbildung in meinem MR 200 Service Manual und auch nicht der meines MR 100 Service Manuals. Rufulas MR200 ist offenbar eine frühe Version, in der es noch Fehler im Leiterbahn-Layout gab, enthält aber bereits die beiden Muting-Schalttransistoren.

So fehlt z.B eine lt. Plan und Platinendruck vorgesehene feste Drahtbrücke auf der Platinenbestüclungsseite (von Punkt 7 des Quellenwahlschalters zu R609) und ist stattdessen durch eine flexible Drahtverbindung auf der Lötseite ersetzt, allerdings direkt zum Kontakt 7 des Schalters. Weitere lt. Plan vorgesehene "extra Lötpunkte" für Drahtverbindungen sind nicht vorhanden, die Drähte stattdessen an Bauteile-Lötpunkte unmittelbar angelötet.

Auch eine vermeintliche "Fehlerstelle", nämlich eine unterbrochene Leiterbahn von Punkt 7 des Quellenwahlschalters zum Kollektor von T640, hat mich erstmal gestört. Ich hatte die Leiterbahn gerade geflickt, dann aber sicherheitshalber anhand des Schaltplans diese Stelle im Zusammenhang mit den anders als im Plan gezeichnet verlegten Drahtverbindungen noch genauer überprüft. Und siehe da, die Leiterbahn muss an dieser Stelle getrennt werden! Das Lötauge des Kollektors von T640 auf der Leiterbahn zum Kontakt 7 des Schalters auf dieser Platine ist falsch. Also diese (notwendige) Unterbrechung bloss nicht "reparieren" wollen! So hat Grundig nachträglich den Platinenfehler am T640 "repariert". Und deshalb auch nicht die feste Drahtbrücke, sondern stattdessen die flexible direkt an Schalterpunkt 7.

Hier ein Foto der Stelle:
SAM_3100.JPG
Der gelbe Draht geht an Punkt 7 des Quellenschalters.

Gruß
Reinhard
Rufula
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Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von Rufula »

Hallo Reinhard,

ja die Drähte auf der Lötseite waren genau so verlegt, ich habe vorher alles akribisch fotografiert.
Auch das Bauteil am Netzschalter war original verbaut, auch dort wurde eine Leiterbahn nachträglich getrennt.
Dieses Bauteil war auch Thema in einem anderen Thread im Hifi Forum, das scheint also auch original zu sein.
Wenn du Fotos benötigst, es sind jede Menge da. :D
Viele Grüße aus Leipzig
Frank
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