MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Moderator: timundstruppi

Benutzeravatar
Pollux
Beiträge: 173
Registriert: Fr 11. Mai 2018, 09:19

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von Pollux »

Sehr interessant das Ganze... Hast Du in der Simulation mal nachgestellt wie sich die Schaltung bei verminderten Widerständen der Ruhestrompotis verhält ? Wie bereits erwähnt hatte ich meinen MR eine ganze Weile mit vollständig zugedrehten Ruhestrompotis betrieben, auf diese Art und Weise ließ er sich ganz normal benutzen und auch normal einschalten, ohne daß irgendeine Form der Strombegrenzung erforderlich wurde.

Die genauen Widerstandswerte der Potis hatte ich aber nicht nachgemessen.
Benutzeravatar
timundstruppi
Beiträge: 2201
Registriert: Do 29. Sep 2016, 17:25
Wohnort: schloss mühlenhof

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von timundstruppi »

Interessant, ich habe von diesem Phänomen nur bei "richtigen" LS-Halbleitern im Studium gehört. Habe hier auch noch irgendwo eine 5kA Diode. Cremedosengroß! Beeindruckend!
In der Vorlesung "Leistungselektronik" ist sogar ein Bild gewesen, wie der Transistor erst nur in Bereichen leitfähig wird und hier überlastet werden kann.

Induktive Effekte im Transistor? In diesem Frequenzbereich? Loop des Bonddrahtes? Mehr Input nötig.
Rufula
Beiträge: 79
Registriert: Sa 17. Dez 2022, 19:41
Wohnort: Leipzig

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von Rufula »

Reinhard, ich danke dir für die Übersetzung.
Ziehe ich grob betrachtet die richtige Schlussfolgerung, das hier gesagt wird, es ist zuwenig Strom und der fließt auch noch zu langsam um den Leistungstransistoren ausreichend zu versorgen? Dieser verabschiedet sich dann wegen Unterversorgung? Der bekommt also zuwenig und nicht zuviel und stirbt deswegen? Wer weiß denn so was❓😧😦
Viele Grüße aus Leipzig
Frank
Benutzeravatar
oldiefan
Beiträge: 214
Registriert: Sa 14. Jan 2023, 18:04
Wohnort: Staufen / Breisgau

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

@ Pollux

Wenn der Ruhestrom verringert wird, geht der Klirrfaktor, besonders bei kleiner Lautstärke in die Höhe. Die Größe des Ruhestroms ist ja darauf abgestellt, dass keine Übernahmeverzerrungen entstehen.

Die Ruhestromeinstellung hat auch einen Einfluss auf die Höhe des Kollektorstrom-Einschaltpulses (T622). Kleinerer Ruhestrom = kleinerer Kollektorstrom-Einschaltpuls von T622. Man muss den Ruhestrom aber recht weit zurücknehmen, um einen deutlichen Einfluss auf die Pulshöhe zu bekommen und handelt sich dadurch hohen Klirrfaktor ein. Der Einfluss ist: Korrekter Ruhestrom -> Endstufe fällt meistens aus; zurückgenommener Ruhestrom --> Endstufe fällt zunächst nicht mehr aus, aber der Stress für T622 bleibt weiterhin hoch - wie viele Einschaltvorgänge verkraftet er das ?

(Analogie: Das Tauchboot Titan schaffte es 14 mal zur Titanic, beim 15. Versuch implodierte es, vermutlich weil der Kohlenstoff-Epoxid-Harz Druckkörper inzwischen durch die akkumulierten Stressschäden - Materialermüdung - so stark geschwächt war, dass er dem Druck von fast 400 kp/cm^2 nicht mehr standhielt)

Die Rücknahme des Ruhestroms ist m.E. deshalb eine unbefriedigendere Lösung hinsichtlich Klirrfaktor und Langzeittauglichkeit.



@ timundstruppi

Originaltext der AN875/D:
https://www.onsemi.com/pub/Collateral/AN875-D.PDF

"induktive Charakteristik" heisst hier wohl, dass sich die Ladungsumverteilung im Halbleiterübergangsbereich der Änderung der Basisspannung im Einschaltmoment "widersetzt". Es ist kein echtes induktives Verhalten, sondern wirkt sich lediglich ähnlich aus. Der Basisstrom folgt der Basisspannung zeitverzögert.



@ Rufula

Es wird hier spezifisch das "richtige" Zeitverhalten und die Anstiegsgeschwindigkeit des Basisstroms (von der Spannungstreiberstufe) relativ zum Kollektorstromanstieg angesprochen, nicht, dass das Netzteil "zu wenig Strom" oder "zu langsam" liefert, also zu schwach wäre. Die Zeitkonstanten sollten so aufeinander abgestimmt sein, dass der Basisstrom nicht zeitverspätet oder mit zu stark gebremsten Anstieg geliefert wird. Das bedeutet aber nicht, dass es um zu schwache Stromversorgung vom Netzteil ginge, denn der Basisstrom des Endtransistors ist in absoluter Größe immer sehr klein, nur im Bereich von 100 µA bis wenige mA, das Netzteil kann aber dauerhaft wenigstens 1,5 A und kurzzeitig noch sehr viel mehr Strom liefern, denn in den beiden 4700 µF/ 44 V Ladeelkos ist zusätzlich noch eine große Menge elektrischer Energie (E=1/2 * CU^2) gespeichert, die bei Bedarf abgerufen werden kann. Was in dem Artikel angesprochen wird, ist die Notwendigkeit, dass die Spannungstreiberstufe (hier T621 bzw. T735) nicht eine zu kleine Basisspannung an den Leistungstransistor liefern sollte und nicht zu langsam/zu zeitverzögert. Eine zu kleine Basisspannung an T622 (T736) haben wir hier nicht, sie beträgt zwischen 30 und 44 V. Der zeitliche Aufbau dieser Basisspannung im Moment des Einschaltens kommt für T622 (T736) aber ungefähr 10-15 Millisekunden zu spät. Und zwar deshalb, weil die Aufladung von C638 (C738) Zeit braucht und den Aufbau der Treiberspannung am Kollektor von T621 (T735) verlangsamt.

In Zahlen:
Versorgungsspannung vom Netzteil ist voll (44 V) vorhanden: nach 7 ms
Treiberspannung von T621 (T735) ist voll (42 V) vorhanden: nach 40 ms

Die Verfügbarkeit der Treiberspannung kann durch einen zusätzlichen Vorwiderstand (470 Ohm) an C638 beschleunigt werden:

Wenn zu C638 (C738) 470 Ohm in Reihe geschaltet werden, die Aufladung von C638 also gebremst wird:
Treiberspannung von T621 (T735) ist voll (42 V) vorhanden: nach 27 ms

Der Nützlichkeit einer zusätzlichen Einschaltstrombegrenzung widerspricht das nicht. Denn damit wird der Kollektorstrompuls in gleichem Mass wie der Basisstrompuls von T622 (T736) verzögert und gleichzeitig beide in ihrer absoluten Grösse stark verringert. Die damit verringerten Stromspitzen verbessern weiter die Stabilität. Allerdings ist zum Schaltzeitpunkt die Versorgungsspannung dann noch im Hochlaufen begriffen, bei der Höhe der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Basisspannung gibt es dadurch Einschränkung, immer ein Kompromiss.

Ich werde dazu weiter berichten.

Endstufe.jpg
Gruß
Reinhard
Zuletzt geändert von oldiefan am Fr 7. Jul 2023, 01:27, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
oldiefan
Beiträge: 214
Registriert: Sa 14. Jan 2023, 18:04
Wohnort: Staufen / Breisgau

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Ich hatte angekündigt, untersuchen zu wollen, wie sich lt. Simulation der MR200 Schaltung die Massnahme der mit einem 470 Ohm Serienwiderstand an C638 (C738) beschleunigten Basis-(Treiber)-Spannung am Endtransistor T622 (T736)

a) ohne zusätzliche Einschaltstrombegrenzung
b) mit zusätzlicher Einschaltstrombegrenzung

verhält.

Ausserdem, wie die Einschaltstrombegrenzung im MR 200 dafür optimal abgestimmt sein sollte.

Dafür habe ich die Einschaltstrombegrenzung in den Schaltplan des MR 200 integriert, denn nur so wird das korrekte Zeitverhalten des Hochlaufens der Spannungen und Ströme der Endstufe realitätsnah modelliert. Anschliessend habe ich den Vorwiderstand, bzw. NTC und die Schaltverzögerung der Relais-Überbrückung im Hinblick auf kleine Pulshöhen des Einschaltpulses so angepasst, dass auch kein "Pumpen" aufgrund von Unterversorgung mehr eintritt.

Den Vorwiderstand von 470 Ohm in Reihe zu C638 (C738) hatte ich bereits vorher optimiert. Vergrösserung dieses Widerstands führt zu Clipping der positiven Halbwelle bei grösserer Ausgangsleistung. Verkleinerung führt zu höherer Einschaltpulsspitze.

Es bedeuten:
V(n001) = Endstufenversorgungsspannung
V(out) = Ausgangsspannung am Ausgang der Endstufe (bei Abschluss mit 4 Ohm) MIT zusätzlich 470 Ohm in Reihe zu C638
V(out_2) = Ausgangsspannung am Ausgang der Endstufe (bei Abschluss mit 4 Ohm) OHNE Vorwiderstand in Reihe zu C638

Ix(T622:B) = Basisstrom von T622 der Endstufe MIT zusätzlich 470 Ohm in Reihe zu C638
Ix(T6:B) = Basisstrom von T622 der Endstufe OHNE Vorwiderstand in Reihe zu C638

Ix(T622:C) = Kollektorstrom von T622 der Endstufe MIT zusätzlich 470 Ohm in Reihe zu C638
Ix(T6:C) = Kollektorstrom von T622 der Endstufe OHNE Vorwiderstand in Reihe zu C638


Zunächst ohne Einschaltstrombegrenzung:
Wirkung des 470 Ohm Vorwiderstands
ohne Einschaltstrombegrenzung.jpg
Der ausserordentlich hohe Basisstrompuls (8 mA) von T622 wird durch den 470 Ohm Vorwiderstand auf 1/10 (0,8 mA) gesenkt und gleichzeitig sein Einsetzen beschleunigt, so dass mit dem Widerstand sein Verlauf dem Verlauf des Kollektorstroms von T622 entspricht.

Der Kollektorstrom von T622 setzt ebenfalls früher und zeitgleich mit dem Basistrom ein, wenn der Vorwiderstand eingefügt ist. Die Höhe des Kollektorstrom-Einschaltpulses bleibt mit ca. 4,5 A dabei unverändert hoch.

Die Einschaltpulshöhe am Lautsprecherausgang (an 4 Ohm) wird durch den Vorwiderstand nicht verändert , der Puls erscheint - wie der Kollektorstrompuls - etwas eher.

Die wesentliche Auswirkung des 470 Ohm Vorwiderstandes in Reihe mit C638 (C738) betrifft die stark reduzierte Höhe und das beschleunigte Einsetzen des Basisstrompulses, so dass der Anstieg des Basisstroms gleichzeitig und mit gleicher relativer Anstiegsrate wie der Kollektorstrom erfolgt.



MIT Einschaltstrombegrenzung:
Wirkung des 470 Ohm Vorwiderstands

Die Einschaltstrombegrenzung wurde der Schaltung des MR 200 angepasst. Kriterium war möglichst niedrige Einschalt-Pulshöhe.
Einschaltstrombegrenzung_angepasst.jpg
Das begrenzende Bauteil der Einschaltstrobegrenzung ist ein NTC 16 Ohm, 5 A (NTC 16D-20)
Die Relais-Verzögerungsschaltzeit ist 0,5 Sekunden
Das Schaltrelais ist für 24 V DC, max. 8A Schaltstrom, Spulenwiderstand 1100 Ohm


In der MR 200 Schaltung gibt es mit dieser Einschaltstrombegrenzung ohne und mit 470 Ohm Reihen-Vorwiderstand diese Resultate:
mit Einschaltstrombegrenzung.jpg

Bis zum Einsetzen des Relais nach 0,5 s Verzögerung erreicht die Versorgungsspannung ca. 2/3 des Endwerts (30 V von 44 V).

Es gibt einen Einschaltplopp direkt beim Einschalten des Geräts und nochmals beim Schalten des Relais. Beide Plopps sind etwa gleichlaut und erheblich leiser als das Einschaltgeräusch ohne Einschaltstrombegrenzung.

Der Basisstrompuls von T622 ist durch die Einschaltstrombegrenzung auf ca. 1/3 vermindert. Das gilt auch für den Puls bei eingefügtem Vorwiderstand vor C638 (C738). Dabei erreicht die Basisspannung an T622 bei ca. 0,1 s aufgrund der noch im Hochlauf begriffenen Versorgungsspannung zu diesem Zeitpunkt, 10 V, hoffentlich genügt das - mehr wäre hier besser. Ein Kompromiss aufgrund ebenfalls gewünschter kleiner Strompeaks. Verkleinerung des Raumtemperaturwiderstands des NTC vergrössert die Basisspannung im Einschaltzeitpunkt aber vergrössert auch den Basis- und den Kollektorstrompuls. Ggf. also ein NTC mit 10 Ohm (für ca. 13-14 V) oder 5 Ohm (für ca. 17-18 V Basisspannung) nehmen und dafür den Nachteil höherer Strompeaks akzeptieren.

der Kollektorstrompuls von T622 ist durch die Einschaltstrombegrenzung ebenfalls auf ca. 1/3 vermindert.

Im Gesamtergebnis führt diese Einschaltstrombegrenzung zu ca. 1/3 verminderten Basis- und Kollektorstromspitzen beim Einschalten und in Folge auch auf deutlich geringeren Einschaltplopp am Lautsprecher. Die Stressbelastung der Endtransistoren (T622 und T736) ist mit der Einschaltstrombegrenzung wesentlich verringert.


Folgerung:
Die Kombination des 470 Ohm Vorwiderstands vor C638 (C738) mit der angepassten Einschaltverzögerung (wie in der Abb. oben) scheint vorteilhaft (einschl. der bereits vorangegangenen Einfügung der Emitterwiderstände).

So weit die "Theorie"...ich bin auf das Resultat der praktischen Erprobung schon gespannt!

Gruß
Reinhard
Benutzeravatar
oldiefan
Beiträge: 214
Registriert: Sa 14. Jan 2023, 18:04
Wohnort: Staufen / Breisgau

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Einschaltstrombegrenzung - da musste ich nochmal ran!

Da war noch ein Wurm drin!

Der NTC-Widerstand "kann" nur 5 W und max. 5 A. Diese Angabe gilt lt. Datenblatt zwar für Dauerbetrieb, so dass ganz kurzzeitig wohl auch etwas mehr Leistung als 5 W möglich wäre. Aber hier genügt das bei weitem nicht. Es werden ja im MR 200 Elkos mit einer Gesamtkapazität von ca. 17000 µF geladen, da fliesst ordentlich Strom. Auch mit zusätzlichem Vorwiderstand von 15 Ohm oder auch 30 Ohm und einem NTC gleichen Raumtemperaturwiderstands würde auf jedenfall die zulässige Belastbarkeit des NTC weit überschritten - er würde mir um die Ohren fliegen oder mit Knack und Rauch zerbröseln....

NTCs, die ich gefunden habe, können max. 5-7 W vertragen, unzureichend. Da Parallelschaltung von NTCs streng verboten ist, scheidet ein NTC hier ganz aus. Das hatte ich anfangs noch nicht sorgsam genug durchge-xt.
Auch ein niederohmiger 10 W-Widerstand mit 15 Ohm oder 33 Ohm oder 47 Ohm ist weit überfordert. Ich muss auf 100 Ohm gehen, damit ich über die Zeitspanne, in der der Widerstand noch nicht überbrückt ist, 10 W Verlustleistung an diesem Widerstand nicht überschreite.

Der Haupt-Einschaltpuls verlagert sich dann vom Moment des Einschaltens mit dem Geräte-Ein-/Ausschalter auf den Moment, wenn das Relais überbrückt. Die Relais-Schaltzeit will ich bei auf 1 s verlängern (2200 µF Lade-Elko mit ca. 1 kOhm Vorwiderstand), damit die Versorgungsspannung und die Basisspannung von T621 (T735) noch etwas länger hochlaufen kann bis das Relais schliesslich hart einschaltet. Mit 100 Ohm Begrenzungs-Vorwiderstand und 1 s Relais-Verzögerungszeit wird ca. 13 V Basisspannung am End-/Leistungstransistor und ca. 14 V Versorgungsspannung erreicht, wenn das Relais überbrückt und auf volle 44V-Versorgung schaltet.

Neue Version der Einschaltstrombegrenzung:
Einschaltstrombegrenzung.jpg
Gruß
Reinhard


PS:
Ich muss einen Moment unterbrechen. Wir haben einen Trauerfall in der Familie, um den ich mich die kommenden Tage kümmern muß.
Benutzeravatar
oldiefan
Beiträge: 214
Registriert: Sa 14. Jan 2023, 18:04
Wohnort: Staufen / Breisgau

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Nach ein paar Tagen meiner Abwesenheit sind auch die 100 Ohm / 10W Leistungswiderstände eingetroffen. So einen benötigte ich ja für die vorgesehene Nachrüstung mit der Einschaltstrombegrenzung.

Die ist inzwischen eingebaut und verdrahtet.
Tests machten aber noch eine Änderung erforderlich. Denn mit 100 Ohm als Strombegrenzer kommt der MR 200 wieder ins periodische Pumpen, was die Relais-Einschaltzeit mit dem bisherigen Schaltungsentwurf auf über fünf Sekunden verlängerte. Solange blieben selbst die Skalenlampen noch dunkel und ein Auf und Ab der Lautstärke setzte schwallförmig ein. Das ist wenig erbaulich und musste noch korrigiert werden.

Die Lösung brachte die Verkleinerung der Ladekapazität in der Einschaltstrombegrenzung von 2200 µF auf 470 µF. Damit ist die Einschalt-Verzögerungszeit ca. 1-1,5 Sekunden, also kleiner als die Pumpfrequenz, das Pumpen wird dadurch unterdrückt. Diese Verzögerungszeit von ca. 1-1,5 Sekunde hatte ich ja auch ursprünglich angepeilt, dabei aber die Verlängerung durch den Pumpeffekt noch nicht auf dem Schirm.

Dies ist nun die endgültige Einschaltstrombegrenzung:
MR 200 Einschaltstrombegrenzung_endgueltige Version.jpg
Die Zenerdiode hat doppelte Funktion, sie dient einerseits als Rücklaufdiode zur Vermeidung bzw. Verringerung der Gegenspannung, die sich beim Abschalten über der hohen Relais-Spuleninduktivität aufbaut, andererseits aber auch zur Begrenzung der Relais-Spulenspannung auf 24-24,8 V (Relais mit 24 V DC Nenn-Betriebsspannung).


Eingebaut:
MR 200 mit Einschaltstrombegrenzung_a.JPG
MR 200 mit Einschaltstrombegrenzung_b.JPG
Damit ist die Einschaltpulshöhe des Kollektorstroms von T622 und 736 (Endtransistor) entschärft. Die Puls-Höhe des Basisstroms (ca. 9 mA) beim Abschalten bleibt durch die Einschaltstrombegrenzung natürlich unbeeinflusst, aber weit unterhalb des lt. Datenblatts zulässigen Wertes von max 0,2 A.
Trotzdem ist mir der PTC-Widerstand, der beim Abschalten im Entladeweg der Elkos liegt suspekt. Was ist bei dessen Fehlfunktion? Bei anfänglich hohem Entladestrom im Abschaltmoment erhöht er seinen Widerstand, was zu einer Beeinträchtigung des Entladens führen kann, wodurch die Zeitabfolge der Abschaltsequenz gestört werden könnte - mit unbekannten Folgen für die Stabilität der Endstufe. Ich habe den PTC deshalb sicherheitshalber ganz entfernt (stattdessen Drahtbrücke eingesetzt). Subjektiv erscheint mir der "Ausschaltknacks" im Kopfhörer jetzt leiser.

Test am Stelltrafo bei 220 V waren bislang erfolgreich.
Beim Einschalten bleibt der MR 200 zunächst still und auch die Beleuchtung bleibt erst noch dunkel. Das ändert sich, wenn nach ca. 1-1,5 s das Einschaltrelais schaltet. Das geschieht praktisch unhörbar (kein Knacken oder Klacken).
Ich habe den MR 200 über 10 x ein- und wieder ausgeschaltet - bisher ohne Ausfall einer der Endstufen.

Allerdings hatte ich zuletzt den Eindruck, dass der Ausfall besonders gerne nach erstmaligem Einschalten nach einer längeren Zeit (z.B. am nächsten Tag) auftritt. Das habe ich noch nicht getestet und bislang auch noch nicht gewagt, ihn an der bei mir erhöhten Netzspannung von 238 V einzuschalten.

Die AFC-Funktion habe ich auch mit einem neuen ZF-IC und neuen Kondensatoren im massgeblichen Bereich nicht erwecken können und habe dort aufgegeben. Der MR 100 hat auch keine AFC und der Oszillator schwingt auch ohne stabil. AFC ist also nicht unbedingt nötig. Ich müsste da tiefer in der Oszillatorschaltung rumfummeln, wenn ich weiter suche. Angesichts des Hauptproblems "Endstufentod", lasse ich das sein. Das ist ja auch ohne dieses Randproblem schon eine "unendliche Geschichte".

Sonst bin ich vorsichtig optimistisch. Aber für eine endgültige Erfolgsmeldung ist es noch zu früh.
Ich möchte heute die Tests am Stelltrafo bei 220 V und 230 V wiederholen und hoffe auf guten Ausgang. Dann schicke ich Rufula seinen MR 200 zurück.

Auf das Einschalten an meiner hohen Netzspannung von 238 V möchte ich aber verzichten - in der Hoffnung, Rufula hat bei sich etwas moderatere Bedingungen als ich hier.

Ich habe alles ausgereizt, was mir eingefallen ist, um schädliche Impulsspitzen zu verringern und das Timing von Basisstrom und Kollektorstrom der Endtransistoren zu verbessern. Pulver ist alles verschossen!

Fehler im Phonoteil (Motorboating aufgrund falscher Koppelkondensatoren) und der Stereo-Ausfall im UKW-Radioteil (bis auf den AFC-Fehler) sind ebenfalls behoben.
Ungeeignete Kondensatoren wurden durch an der Stelle geeignetere ersetzt. Defekte Transistoren wurden ersetzt (Endstufen wieder mit BDW93C und BDW94C bestückt) und der Ruhestrom in beiden Kanälen eingestellt. Die Bauteile der Endstufen wurden überprüft.

Für T743 und T642 empfehle ich BC546B statt BC548B, wegen deren höherer Spannungsfestigkeit (60 V statt nur 30V).
Denn bei den Endstufenschäden waren ausser den beiden End-Leistungstransistoren stets auch der BC548B des ausgefallenen Kanals defekt.


Gruß
Reinhard
Benutzeravatar
oldiefan
Beiträge: 214
Registriert: Sa 14. Jan 2023, 18:04
Wohnort: Staufen / Breisgau

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Es wird auch Rufula erfreuen...

Nach weiteren Tests heute, unter anderem auch direkt am Hausnetz - wir hatten heute bei uns während meines Tests 232 V - wage ich es, Erfolg zu melden! :D :D :D

Wiederholt am Netz ein- (und aus-)geschaltet, dabei kein Ausfall der Endstufe(n) mehr!


Die Einschaltstrombegrenzung hat es offenbar gebracht.
Ob und inwieweit die vorher ergänzten Emitterwiderstände dazu auch einen Beitrag leisten (alleine waren die aber nicht ausreichend) oder auch der entfernte PTC-Widerstand einen Einfluß hatte, bleibt offen.
Sehr hilfreich bei der Fehleranalyse war u.a. die Simulation der Kollektorstrom-Impulsspitzen beim Einschaltvorgang und deren Verringerung durch die Einschaltstrombegrenzung.

Die Massnahmen sind hier ja alle gut dokumentiert, ich will das nicht wiederholen - man muss allerdings viel lesen (wollen) ;) .


Das Thema ist damit abgeschlossen und Rufula kann seinen MR 200 nun funktionierend zurückbekommen. Auf AM (MW, LW) hatte ich allerdings keinen Empfang - aber da kommt ja heutzutage sowieso praktisch nichts mehr. Kann aber auch durchaus sein, dass im AM-Teil auch noch ein Defekt schlummert. Wenn Rufula nicht auf AM-Empfang besteht, würde ich es mit der Reparatur des UKW- und NF-Teils gut sein lassen.

Besten Gruß
Reinhard
Benutzeravatar
mampfi
Administrator
Beiträge: 1552
Registriert: Mo 12. Okt 2015, 22:07
Wohnort: Eislingen

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von mampfi »

Einfach nur "WOW"..............
Jede Menge Grundig Zeugs, garniert mit etwas Revox, Braun, Dual und Sony, an 5 Anlagen.

Grundig forever :D
Benutzeravatar
oldiefan
Beiträge: 214
Registriert: Sa 14. Jan 2023, 18:04
Wohnort: Staufen / Breisgau

Re: MR200 Endstufe nächstes Kapitel

Beitrag von oldiefan »

Vor dem Verpacken habe ich das NF-Teil noch mit ein paar Audiomessungen überprüft, Daten, die (so) nicht von Grundig publiziert wurden.
Alles im grünen Bereich!

Balance, Pegelgleichheit der Kanäle
GRUNDIG hat beim MR 200 gemäss Technischer Daten in der Bedienungsanleitung leider eine sehr üppige Gleichlaufabweichung des Lautstärkestellers von bis 2 dB zugelassen. Das habe ich gemerkt. Bei Rufula's MR 200 betrug der Pegelunterschied zwischen den beiden Kanälen bei Mittelstellung des Balance-Stellers knapp über 1 dB. Um beide Kanäle auf gleichen Pegel zu bringen, musste die Balance auf die Position +8 (nach rechts) verdreht werden. Das war bei niedriger Lautstärke nicht viel anders als bei hoher.

NF-Bandbreite
Die Leistungsbandbreite ist mit 80 kHz angegeben, sehr schön breitbandig!
Bei 1 W an 8 Ohm Last messe ich bei 80 kHz nur einen Pegelabfall von 1 dB.
MR 200 Frequenzgang bei 1 W an 8 Ohm.jpg

Frequenzgang bei 1 W und 10 W an 4 Ohm
Der Frequenzgang ist nicht perfekt, aber mit einer Welligkeit innerhalb von +/- 0,5 dB von 20 Hz bis 20 kHz hinreichend gerade.
MR 200 Frequenzgang bei 1 W an 4 Ohm Bal +8 .jpg
Der Buckel bei 150 Hz im Frequenzgang ist kein Manko, das nur Rufulas MR 200 betrifft, sondern ist einem Fehler bei einem Bauteilewert im Klangregelnetzwerk zuzuschreiben. Es taucht ganz genau so auch in der Simulation der Schaltung auf. Wäre leicht vermeidbar gewesen, wenn Grundig für C627 und C727 einen etwas höheren Wert statt 2,2 nF verwendet hätte (der genaue Wert wäre in der Praxis zu ermitteln, zwischen 3,3 nF und max 10 nF). Das hätte in der Vorserie eigentlich auffallen sollen und korrigiert gehört. Es ist aber kein ernsthaftes Problem. Dafür den MR 200 extra öffnen, um da nachzuarbeiten, lohnt nicht. Erfahrungsgemäss geht durch das Auseinanderbauen leicht mehr kaputt (an anderen Stellen) als man behebt.

Klirrfaktor (THD) bei 1 W und bei 10 W an 4 Ohm
Der Klirrfaktor ist bis 10 W an 4 Ohm erwartungsgemäss gering (< 0,05 %, bei 1 W < 0,03 %), beginnt aber, über 10 W anzusteigen. Der MR 200 ist nicht für große Leistung gemacht, fürs Wohnzimmer aber mehr als genügend "laut". Wer' mal gemessen hat, bereits 1 W ist an normal wirkungsstarken Boxen sehr, sehr laut.
MR 200 THD bei 1 W an 4 Ohm.jpg
MR 200 THD bei 10 W an 4 Ohm.jpg

Statische Intermodulationsverzerrungen (IMD) für 250 Hz : 8 kHz, Amplitudenverhältnis 4:1, bei 10 W an 4 Ohm
Die IM-Verzerrungen liegen im für diese Geräteklasse zu erwartenden Bereich, hier 0,13 % gemessen.
MR 200 IMD bei 10 W an 4 Ohm.jpg

Dynamische Intermodulationsverzerrungen (TIM, DIM-100) bei 10 W an 4 Ohm
Der Messwert von nur 0,04 % ist für diese Geräteklasse ganz gut!
MR 200 DIM-100 (TIM) bei 10 W an 4 Ohm.jpg
Um TIM-verzerrungen wurde in den 1970igern und noch Anfang der 1980iger Jahren ein Riesen-Zirkus gemacht. Inzwischen ist das Thema "geerdet". Sie spielen weit weniger eine Rolle als man damals angenommen hatte. Im übrigen sieht man das auch an statischen IM-Verzerrungen bei höheren Frequenzen und auch an THD bei 20 kHz gut, sollte da was faul sein. Ich messe routinemässig alle Verstärker, die ich auf den Tisch bekomme. Selbst in der untersten Qualitätsklasse gibt es damit normalerweise selten ernsthafte Probleme. Das war in den 60iger Jahren noch anders, als noch Treiberübertrager und noch nicht ausgereifte Germaniumtransistor-Schaltungen eingesetzt wurden. Aber selbst dort sieht man schon Auffälligkeiten bei der Messung der statischen IMD-Verzerrungen. Will sagen: Eigentlich kann man auf TIM-Messung verzichten. Ich mache das hauptsächlich, um meine Daten zu komplettieren.


Phono-Entzerrer Vorverstärker Genauigkeit der RIAA-Entzerrung und Frequenzgang
Der Rückbau mit den originalen eng tolerierten Grundig MKP-Folienkondensatoren hat sich gelohnt. Der Frequenzgang ist damit untadelig von 20 Hz bis 20 kHz, innerhalb +- 0,5 dB der RIAA Kennlinie. Der Phono-Klirrfaktor ist praktisch identisch zu dem über die Hochpegeleingänge. Der Phono-Vorverstärker ist gelungen, insbesondere auch aufgrund seines geringen Rauschens.
MR 200 Frequenzgang Phono RIAA Entzerrung.jpg

Loudness / Contour = gehörrichtige Lautstärkeanpassung bei kleinem Ausgangspegel
Die Loudness beim MR 200 ist sehr "japanisch" ausgelegt, ganz anders als beim V 2000, R 2000, R3000, die ja aus der gleichen Zeit stammen. Könnte auch ein Indiz sein, dass der MR 200 aus einem anderen "Stall" bei Grundig stammt als die 100 mm-Geräteserie.
Mit "japanisch" meine ich, dass die Bassanhebung relativ verhalten ausgelegt ist (nur +12 dB bei 40 Hz) und die Höhenanhebung nahezu nicht vorhanden ist (nur +2 dB bei 10 kHz und darüber). Für mich als mittlerweile Schwerhörigem mit starkem Hochtonverlust nicht mehr optimal.
MR 200 Loudness bei 10 mW an 8 Ohm.jpg



Zusammenfassung der Messungen:
Messwerte komplett.pdf
(1.05 MiB) 370-mal heruntergeladen

Gruß
Reinhard
Zuletzt geändert von oldiefan am Mi 2. Aug 2023, 19:15, insgesamt 5-mal geändert.
Antworten

Zurück zu „MR 200“